Ideelle und praktische Hilfe
Die Patronatsgesellschaft für Theater und Philharmonie engagiert sich seit
1952 – und kämpft für das selbstständige Ensemble
Von Sabine Rahner, erschienen am 6.9.2012 im Badischen Tagblatt
Foto © Thomas Viering
Unterstützen, fördern und finanzieren, ohne eine Gegenleistung zu verlangen – das ist das Wesen des Mäzenatentums, wie man es im Kulturleben immer wieder antrifft und wie es womöglich noch dringlicher werden wird, wenn dem Staat vor lauter Weltretten immer weniger Geld für die Kultur bleibt. Für die Gründung der Patronatsgesellschaft Baden-Baden gab es 1952 einen ähnlichen Grund: „Die Existenz des Theaters war in Gefahr, Subventionen sollten nicht mehr bezahlt werden“, so beschrieb Gründungspräsident Manfred Fischer, ein bekannter Unternehmer aus Bühl, die Entstehung des Freundeskreises. Der damalige Theaterintendant Hannes Tannert hat diese Gründung initiiert, Oberbürgermeister Ernst Schlapper hat sie unterstützt. Die „Patronatsgesellschaft Baden-Baden“ ist damit so alt wie das Land Baden-Württemberg. Seit 1985 hat sie ihre Patronage auch auf die Philharmonie Baden-Baden ausgedehnt und streitet nun engagiert für zwei Kulturinstitutionen, deren Geschichte vielfältig miteinander verwoben ist.
In Verhandlungen mit dem Finanzausschuss im Stuttgarter Landtag konnte 1952 die geplante Streichung der Subventionen verhindert werden. Es sollte nicht der einzige Einsatz in höchster Gefahr bleiben, die Patronaten mussten 1973/74 erneut für die Eigenständigkeit des Baden-Badener Theaters kämpfen. Damals prüfte die Bäder- und Kurverwaltung die Einrichtung eines Bespieltheaters. Die Patronatsgesellschaft schlug Alarm – und rettete das feste Theaterensemble erneut. Zum 25-jährigen Bestehen dieses Fördervereins 1977 konnte der damalige Landtagspräsident Erich Ganzenmüller beeindruckt feststellen, dass die Stadt Baden-Baden mit „fünf Prozent ständigen Theaterbesuchern“ zu den theaterfreudigsten in der ganzen Bundesrepublik gehöre. Die Patronatsgesellschaft stehe – so bedankte sich Intendant Tannert beim Jubiläum 1977 – „unserer Bühne in großzügiger Weise ideell und praktisch“ zur Seite und sei richtungsweisend für andere Patronatsvereine in Deutschland geworden. In den Anfangsjahren vergab die Gesellschaft einen jährlichen Schauspielerpreis, organisierte Vorträge im Rahmen eines Zyklus „Dichter und Werk“, lud zu Theatergesprächen und Sonderveranstaltungen ein. Schon damals gab es Zuschüsse zur Bühnenausstattung, außerdem wurde ein Sozialfonds für die Schauspieler eingerichtet. Eine feste Tradition wurde der große Empfang der Patronatsgesellschaft zum Saisonbeginn Anfang September.
In diese Startphase fielen auch die Anfänge der Volksbühne, die Intendant Hannes Tannert und der Baden-Badener Amtmann Otto Beetz gemeinsam gründeten. Diese Einrichtung bietet ihren Mitgliedern Theaterbesuche zu einem vergünstigten Eintrittspreis an und sichert gleichzeitig dem Haus ein berechenbares Zuschauerpolster.
Nach gut 15 Jahren übernahm der Baden-Badener Unternehmer Manfred Schnell die Patronatsgesellschaft, die eine außergewöhnlich lange und fruchtbare Ära unter seiner Leitung erlebte: Von 1968 an bis 1999 trug Schnell die Verantwortung. Er hatte das Amt nicht vom Gründungspräsidenten Fischer direkt übernommen, sondern von Kurt Bachor, der allerdings nur kurze Zeit an der Spitze stand und kaum Spuren hinterließ.
Foto © Thomas Viering
Der heute 91-jährige Manfred Schnell, einst Gründer der in vielen Städten existierenden EKZ-Einkaufszentren, ging in dieser Verpflichtung für das Theater Baden-Baden geradezu auf. Er hat mit den Intendanten Günther Penzoldt, Wolfgang Poch, Frieder Lorenz und Peter Lüdi zusammengearbeitet. Vom gesellschaftlich eher exklusiven Kreis wandelte sich die Patronatsgesellschaft in seiner Zeit zu einer frühen Bürgerinitiative. Eine Auflösung des selbstständigen Ensembles war mit einer Kämpfernatur wie Manfred Schnell nicht zu machen. Er drohte damit, protestierend vor den Landtag zu ziehen, wenn wieder mal Sparüberlegungen den Erhalt des Ensembles gefährdeten, er lud prominente Redner zur Saisoneröffnung ein und positionierte die Patronatsgesellschaft in der Mitte des Bürgertums.
1989 wurde das Theater für drei Jahre zur Generalsanierung geschlossen. Während dieser Zeit wurde im Alten Bahnhof Theater gespielt, das Festspielhaus war dort noch nicht in Sicht. Manfred Schnell war einer der Motoren für die dringend notwendige Sanierung. Oberbürgermeister Walter Carlein hat sie politisch auf den Weg gebracht, unter seinem Nachfolger Ulrich Wendt wurden die Arbeiten vollendet. Während dieser Übergangszeit hat sich Schnell – als Unternehmer mit großen Bauvorhaben erfahren – die Zeit genommen, Tag für Tag und neben der Führung seiner eigenen Betriebe auch die Theaterbaustelle zu besuchen. Noch genau kann er sich den riesigen Krater vorstellen, der neben dem Theater zum Bau der unterirdischen Magazinräume in den Fels gesprengt wurde. Er erstürmte das
Innengerüst und besah sich das völlig verdunkelte Deckengemälde aus nächster Nähe, das er am liebsten „gleich selbst gereinigt“ hätte. Als Sponsoren für die mehr als 30 Millionen Mark verschlingende Grundsanierung konnten unter anderem Max Grundig und Hugo Mann gewonnen werden.
Der Tag der Wiedereröffnung des Theaters im November 1992 war für die Patronatsgesellschaft ein Tag großer Freude, sicherlich auch deshalb, weil ihr Präsident Schnell einen ziemlich „schweren“ Scheck an die Stadtväter überreichen konnte: 100000 Mark haben die Mitglieder für die Sanierung gespendet, Manfred Schnell selbst hat außerdem als persönliche Gabe die Logen im ersten Rang des Theaters mit stilechten Spiegeln ausstatten
lassen.
Heute versteht sich die Patronatsgesellschaft als aktiver Partner von Theater und Philharmonie, der vor allem finanziell einspringt, wenn es um Investitionen geht, die nicht von den Etats abgedeckt werden. Aber auch die anhaltende Diskussion mit politischen Gremien ist eine bleibende Herausforderung.
Der aktuelle Präsident der Patronatsgesellschaft ist seit 2009 der Kardiologe Franz van Erckelens, leitender Arzt der Max-Grundig-Klinik. Eine pfiffig gereimte Rede zur Saisoneröffnung hat er zu seinem unverwechselbaren Markenzeichen erhoben. Knapp 400 Mitglieder hat die Gesellschaft jetzt, wobei sich abzeichne, so van Erckelens, dass die
Menschen heute lieber spontan und einmalig etwas spenden wollten anstatt sich durch eine Mitgliedschaft auf Dauer zu binden. Van Erckelens hat großen Anteil am Zustandekommen einer Kooperation zwischen der Baden-Badener Scherer-Stiftung und der Philharmonie, wodurch die Musiker jetzt in Anlehnung an einen besseren Tarif bezahlt werden können. Franz
van Erckelens’ Vorgänger im Präsidentenamt war bis 2009 Walter Fritz Schickinger. Nach seinem Ausstieg aus dem operativen Geschäft als Vorstandsvorsitzender von Versicherungsgesellschaften hat er sich die notwendigen Freiräume für Ehrenämter als Gesellschafter, Aktionär und Aufsichtsrat von Unternehmen geschaffen. An sein „Markenzeichen“ erinnert man sich noch gut: Schickinger hat beim jährlichen Patronatsempfang zur Saisoneröffnung zum Gaudium des Publikums die Titel aller Theaterstücke im jeweiligen Abonnement zu einem stimmigen Nonsens-Satz verknüpft. Er hatte sich für seine Amtszeit zum Ziel gesetzt, den Mitgliederbestand deutlich zu stärken. Dank zupackender Verve ist ihm das auch gelungen, wenngleich er an seinem selbstgesteckten numerischen Ziel, „ein Prozent der Baden-Badener“ für die Patronatsgesellschaft zu gewinnen, knapp vorbeigeschrammt ist. Allerdings nur nach Mitgliederzahlen – was die Beiträge betrifft, hat er das materielle Ziel mühelos erreicht: Denn er konnte einige Mitglieder zur nennenswerten individuellen Erhöhung ihres Mitgliedsbeitrags bewegen.
In Schickingers Zeit fällt der gewachsene Einfluss der Patronatsgesellschaft, die jetzt auch bei der Besetzung von Theaterintendanz und Chefdirigent der Philharmonie ein Mitspracherecht
hat. Auch die frühen Bemühungen der Stadt um die Verlängerung der entsprechenden Staatsverträge waren erfolgreich: Die Finanzierung von Theater und Orchester ist bis 2020 gesichert.
Die größte Anstrengung seiner Amtszeit aber, so Walter F. Schickinger, war die Installierung der Kroes-Stiftung für die Baden-Badener Philharmonie. Darin wird eine Erbschaft, die das Orchester schon vor Jahren gemacht hat, so festgeschrieben, dass die Musiker projektbezogen die Zinsen aus dem hohen Betrag nutzen können. Über die Verwendung dieses Erbes hatte es mit der Stadt zuvor jahrelange Diskussionen gegeben. Schickinger wurde von den Musikern der Philharmonie für sein zähes Streiten zum Ehrenmitglied ernannt.
Grundsätzlich verteilt die Patronatsgesellschaft ihre Gaben genau hälftig auf das Theater und die Philharmonie. Aber in diesem Jahr gibt es einen Zuschlag extra für das Theater, damit das 150-jährige Bestehen angemessen gefeiert werden kann – so wie die Patronaten auch das bereits 2004 gefeierte 150-jährige Bestehen der Philharmonie mit Festschrift und Festakt bezuschussten.
Zu den von den Patronaten aktuell geförderten Veranstaltungen zählen die Jugend-Angebote wie die erfolgreiche Theaterwoche „Fit fürs Abi“ oder die „Jugendakademie“ des Orchesters. Es gibt Finanzspritzen für die Open-Air-Veranstaltungen wie die Philharmonische Parknacht oder für besonders aufwendige Kostüme. Auch die Inszenierungen von Werken junger Nachwuchsautoren werden gezielt gefördert, augenfällig sind hier die Stücke des mittlerweile überaus erfolgreichen Autors Philipp Löhle, der auch noch aus Baden-Baden stammt.